Drei Jahre Planung und drei Jahre Bauzeit waren nötig, um die Personenbeförderung von der Talstation Eibsee auf die Zugspitze zukunftssicher zu machen. Die Betreibergesellschaft Bayerische Zugspitzbahn Bergbahn AG entschied sich für einen kompletten Neubau. Der Auftrag ging an die Schweizer Seilbahnfirma Garaventa, die 2002 mit dem österreichischen Seilbahnhersteller Doppelmayr fusionierte. Die Doppelmayr/Garaventa-Gruppe hat bisher über 14 000 Seilbahnsysteme in mehr als 90 Ländern realisiert. Dennoch ist die neue Seilbahn Zugspitze ein herausragendes Prestigeprojekt, das gleich drei Weltrekorde bricht: Die einzige Stütze, in Stahlbauweise ausgeführt, ist mit 127 m die höchste ihrer Art. Zwischen Stütze und Bergstation überwindet die Bahn bisher nicht realisierte 3213 m Seil, und die 1945 m Höhenunterschied auf diesem Seilabschnitt sind gleichermassen weltweit einzigartig.
Bergfahrende Kabine überwindet 104 % Steigung
Kurz vor dem Gipfel wird der Anstieg der Seilbahn atemberaubend steil: Die bergfahrende Kabine überwindet eine Steigung von 104 %, gewinnt also auf jedem Meter Vorwärtsbewegung mehr als einen Meter an Höhe. Zeitgleich nähert sich die zweite Kabine der Talstation, die Bahn fährt also im Pendelbetrieb. Verbunden sind beide über eine Zugseilschleife, die in der Talstation angetrieben wird. Zwei je 800 kW starke Drehstrommotoren sind über elastische Klauenkupplungen von KTR mit je einem dreistufigen Stirnradgetriebe des Typs X3FS280 von SEW-Eurodrive verbunden. «Die Leistung brauchen wir, weil wir hier ein extremes Streckenprofil haben», betont Projektleiter Markus Reichmuth von Garaventa.
Hinter der Kupplung befindet sich jeweils noch eine Schwungmasse von fast 1 m Durchmesser und gut 1 t Gewicht. Die Schwung- räder sorgen für ein besseres Regelverhalten des Antriebssystems. Die daran anschliessenden Grossgetriebe mit je fast 6 t haben jeweils ein Nenndrehmoment von 240 000 Nm und können eine Leistung von 1024 kW übertragen. Sie werden von einem Öl-Luft-Kühler im definierten Temperaturbereich gehalten. Auf der Abtriebsseite sorgt jeweils eine über 3 t schwere schaltbare Bolzenkupplung für den Kraftschluss mit den Seilrädern. Auf deren Rückseite kann über Zahnkupplungen ein Notantrieb eingreifen.
Gehäuse sind speziell für horizontale Anwendungen konzipiert
Die bei der Zugspitz-Seilbahn verwendeten Horizontalgehäuse sind speziell für horizontale Anwendungen konzipiert. Ein weiteres Getriebe ist in der Bergstation auf der Zugspitze installiert: Das dreistufige Kegelstirnradgetriebe vom Typ X3TH210 mit einem Nenndrehmoment von 90 000 Nm sitzt am Antrieb der Notgondel. Diese könnte zur Bergung der Fahrgäste auf die Tragseile gesetzt werden, falls die beiden Hauptgondeln sich nicht mehr bewegen lassen. Das ist jedoch äusserst unwahrscheinlich – jeder der beiden Hauptmotoren, sowie die beiden hydraulisch betriebenen Notantriebe können das Zugseilsystem notfalls auch allein antreiben.
Die gewaltige, erforderliche Antriebsleistung erzeugen zwei Drehstrommotoren mit je 800 kW Nennleistung. Sie sind an ein 400-V-Mittelspannungsnetz angeschlossen. Bei einem Stromausfall können Dieselaggregate der 2 MW starken Netzersatzanlage die nötige Antriebsleistung bereitstellen.
Drahtseile haben 600 t Bruchlast
Im Normalbetrieb beschleunigen die beiden Hauptmotoren und die X-Grossgetriebe im Verbund das Gondelsystem auf bis zu 10,6 m/s – das sind fast 40 km/h. Jede Kabine fasst bis zu 120 Fahrgäste und wird von jeweils zwei Tragseilen mit 72 mm Durchmesser und 145 t Masse gehalten. Die Tragseile haben eine Bruchlast von gut 600 t und wurden aus 5500 km Draht gefertigt. Die Seilbahn ist für Temperaturen bis –30 °C zugelassen und fährt bis Windstärke 8. In rund neun Minuten gelangen die Fahrgäste auf den Berg.
Für den Hersteller Garaventa ist die neue Seilbahn Zugspitze ein Leuchtturmprojekt, ebenso für die Antriebsspezialisten von SEW-Eurodrive in Bruchsal, die in der Schweiz von der Generalvertretung Alfred Imhof AG vertreten wird. «In letzter Zeit hat sich die Kooperation mit der Alfred Imhof AG verstärkt», berichtet Projektleiter Markus Reichmuth. «Preis-Leistungs-Verhältnis und Termintreue stimmen – und die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut.» Imhof-Industriegetriebespezialist Peter Baumgartner ergänzt: «Ein solches Projekt ist mehr als nur eine hervorragende Referenz – es ist ein Meilenstein. Die Seilbahn auf die Zugspitze hat gewiss einen Platz in den Geschichtsbüchern.»
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