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Lagerlebensdauer realistisch berechnen

Theoretisch sollten sich baugleiche Wälzlager mit identischen Tragzahlen in der gleichen Anwendung auch gleich verhalten. In der Realität ist das jedoch kaum der Fall, denn die dynamische Tragzahl «C» spiegelt die realen Anwendungsbedingungen nur unzureichend wider. Ein neues Berechnungsmodell verspricht Abhilfe.

 

Wälzlager sollen vielen Ansprüchen genügen. Bei einigen Anwendungen steht zum Beispiel ein geringes Reibungsmoment im Fokus; andernorts mag ein niedriger Geräuschpegel entscheidend sein. Häufig steht jedoch die tatsächliche Gebrauchsdauer im Fokus – und die hängt nicht nur von der Qualität des Stahls oder vom Lagerdesign ab. Massgebliche Faktoren dafür sind ausserdem die Schmierung sowie die Dichtwirkung. Das Problem dabei: Die Tragzahl «C» gibt keinen Aufschluss über diese lebensdauerrelevanten Grössen.

30 Prozent geringeres Reibungsmoment

Beispiel Elektromotor: Hier werden Lager typischerweise mit geringen bis mittleren Belastungen (C/P > 8) und hohen Drehzahlen (n > 1000 min–1) betrieben. Die Lager in solchen Motoren fallen heutzutage kaum noch wegen Ermüdung des Stahls aus, sondern weil beispielsweise das Ende der Fettgebrauchsdauer erreicht wird. Um diese Frist zu verlängern und gleichzeitig das Reibungsmoment zu senken, hat SKF unter anderem energieeffiziente (E2) Rillenkugellager entwickelt: Deren Reibungsmoment liegt bei solchen Betriebsbedingungen mindestens 30 Prozent unter dem gleichgrosser SKF Explorer Rillenkugellager. Obwohl die E2-Lager niedrigere Tragzahlen als ihre Explorer-Pendants aufweisen, erzielen sie höhere Standzeiten. Denn ihre geringere Reibung verursacht weniger Hitze, was die Fettgebrauchsdauer erhöht und die Dichtungsalterung verlangsamt.

Das zeigt, dass die Kenntnis der Anwendungsanforderungen sowie das Verständnis der verschiedenen Schadensmechanismen für die Lagerkonstruktion von entscheidender Bedeutung sind: Es geht darum, Wälzlager hinsichtlich ihres Betriebsverhaltens in der späteren Anwendung zu optimieren.

Basis liegt bereits 30 Jahre zurück

Mit dem «Field Performance»-Programm stösst SKF in diese Richtung vor. Bestandteil dieses Programms ist unter anderem ein innovatives Lebensdauermodell, das das Unternehmen «SKF Generalized Bearing Life Model» nennt. Dabei handelt es sich um eine Weiterentwicklung des Modells, das der Lagerspezialist schon vor über 30 Jahren vorgestellt hat. Heute findet das traditionsreiche Modell zwar weltweit Verwendung, aber es basiert noch auf der klassischen Werkstoffermüdung in der Tiefe. Daraus leitet es die Erlebenswahrscheinlichkeit ab – auf Grundlage einer Weibull-Wahrscheinlichkeitsverteilung – und modifiziert diese durch Einflussfaktoren in Abhängigkeit von unzureichender Schmierung und dem Grad der Verunreinigung.

Klassische Ermüdung des Wälzlagers beginnt in der Tiefe

Ein Nachteil dieses Modells ist, dass neue Erkenntnisse darin nur sehr begrenzt berücksichtig werden können – wie die Einflüsse von verbesserten Wärmebehandlungsprozessen, neuen Materialien, speziellen Beschichtungen, optimierten Oberflächen und verbesserten Wälzkörper- und Laufbahnprofilen. Deren positive Auswirkungen auf die Lagerlebensdauer lassen sich nicht einfach durch eine Erhöhung der dynamischen Tragzahl «C» oder durch das Hinzufügen neuer globaler Faktoren zur Lebensdauergleichung abbilden. Hinzu kommt, dass die meisten Ausfälle heutzutage auf Oberflächenzerrüttung oder Verschleiss aufgrund von Verunreinigung, unzureichender Schmierung oder anderen Betriebsbedingungen, zurückzuführen sind. Eindrückungen, Verschleiss, Oberflächenzerrüttung usw. beeinflussen eine sehr dünne Materialschicht an der Oberfläche im Wälzkontakt, während die klassische Er­müdung des Wälzlagers in der Tiefe beginnt.

Unterscheidung zwischen Oberflächen- und Ermüdungsschäden

Ergo betrachtet das neue Modell zur Berechnung der Lebensdauer dieser beiden Bereiche getrennt: Es unterscheidet zwischen Oberflächen- und Ermüdungsschäden. Dabei fusst es auf tribologischen Erkenntnissen und bezieht Parameter wie Schmierstoffeigenschaften, Verunreinigungen und Oberflächenzustand mit ein. Die neue Lebensdauer L10GM setzt sich aus den beiden Funktionstermen fss und fs zusammen, wobei fss die Werkstoffermüdung in der Tiefe und fs die Oberflächenschäden berücksichtigen:

L10GM=[fss(C,Rss) + fs(Rs,p1,p2,…)]b

Die dynamische Tragzahl «C» bleibt in diesem Modell im Funktionsterm für die Werkstoff­ermüdung erhalten. Der Exponent b ist eine Konstante. Die Funktion Rss berücksichtigt die äquivalente Lagerbelastung und die Ermüdungsgrenzbelastung. Rs ist ein Parameter, der den Einfluss der Anwendungs- und Umgebungsbedingungen auf die Entstehung von Oberflächenschäden beurteilt. In dieser Funktion werden die Belastung, die Verunreinigung, die Schmierung und Performancefaktoren p1, p2 … berücksichtigt.

Die Vorhersagen werden realistischer

Die entwickelten Performancefaktoren erlauben es, die Einflüsse von optimierten Lagerkonstruktionen, speziellen Wärmebehandlungen oder ähnlichem auf die Lebensdauer zu berücksichtigen. Zwar sind bislang nur wenige Faktoren bestimmt, doch wird SKF schon bald zusätzliche Faktoren definieren, die aus numerischen und tribologischen Modellbetrachtungen, gepaart mit Versuchsreihen, hervorgehen. Fest steht schon jetzt, dass sich Lagerverhalten und Lagerlebensdauer durch die Berücksichtigung zusätzlicher Schadensmechanismen in einem breiteren Betriebsbedingungsbereich viel realistischer vorhersagen lassen. Zugang zum innovativen Modell bekommen Interessierte bald durch die Berechnungssoftware SimPro Quick. Dabei handelt es sich um ein brandneues Ein-Wellen-Berechnungsprogramm, das unter anderem Wellen, Gehäuse, externe Kräfte und Verzahnungen simuliert.

Infoservice


SKF (Schweiz) AG
Eschenstrasse 5, 8603 Schwerzenbach
Tel. 044 825 81 81, www.skf.ch