Die Iscador AG ist ein pharmazeutisches Unternehmen, das komplementärmedizinische Präparate für die integrative Krebstherapie zur Verfügung stellt. Zur Verbesserung von verschiedenen Faktoren der Lebensqualität und Reduktion von Nebenwirkungen der konventionellen Krebstherapien hat sich die unterstützende Misteltherapie mit ihrem ganzheitlichen Behandlungsansatz bewährt. «Für die Herstellung unseres Medikaments werden die Blätter, Stängel und Beeren von Misteln genutzt», erklärt Dr. Gerhard Schaller, Leiter Herstellung und Mitglied der Geschäftsleitung. «Geerntet wird einmal in der kalten und einmal in der warmen Jahreszeit, weil es bei der immergrünen Pflanze saisonale Unterschiede bei den Wirkstoffen gibt. Wir setzen auf einen spezifischen Mix aus beiden.»
Sehr hohe Drehzahlen und Fliehkräfte
Die Vermischung der beiden Mistelextrakte erfolgt auch heute noch nach einem Verfahren, das sich auf Rudolf Steiner, den Gründer der Anthroposophie, zurückführen lässt: Der Extrakt der Wintermistel wird kontinuierlich in die Mitte einer rotierenden Scheibe dosiert und durch die Fliehkraft als dünner Film an den äusseren, hochgebogenen Rand gebracht, währenddem der Extrakt der Sommermistel an mehreren Stellen aus einem Meter Höhe hinzutropft. Beide Säfte werden dann am Scheibenrand intensiv durchmengt.
«Die Titan-Scheibe von einem Meter Durchmesser rotiert während des Produktionsprozesses mit 10 000 min–1. Das führt zu einer Umfangsgeschwindigkeit von 1885 km/h und zu Fliehkräften, die das 55 000-fache der Erdanziehung betragen. Diese Energie gilt es regelungstechnisch zu beherrschen», sagt Christian Albisser, Leiter zentrale Dienste bei Iscador.
Herausforderungen sind unerwünschte Rückwirkungen auf das Netz
In der Vergangenheit kam es immer wieder zu unerwünschten Rückwirkungen auf die Stromversorgung, sobald die Anlage auf Hochtouren lief. Teilweise mussten sogar bestimmte Verbraucher während der Produktionsphase abgestellt werden, um die Netzstabilität zu gewährleisten. Vor allem bei Laborgeräten bedeutete dies einen erheblichen Verzicht. Für die 2017 beschlossene Modernisierung der bestehenden Installation wurde spezifiziert, dass die neue (an-)treibende Kraft hinter der rotierenden Scheibe keine Netzrückwirkungen hinterlassen und der Umwelt zuliebe rückspeisefähig sein sollte.
Leistungsstarker Frequenzumrichter als Lösung
Nach Rücksprache mit Rockwell Automation wurde sehr schnell klar, dass beim Arlesheimer Pharmabetrieb die Leistung eines Allen-Bradley-Frequenzumrichters PowerFlex
755TR gefragt war. Schliesslich kann dieser mit folgenden Qualitäten punkten: leistungsstark, rückspeisefähig, oberschwingungsarm. «Auf uns wartete eine aussergewöhnliche Anwendung mit eigens für diese Maschine angefertigten Motoren, die auf keinen Fall beschädigt werden durften», erinnert sich der Invag-Geschäftsführer. «Die immensen Fliehkräfte erforderten entsprechende Sicherheitsvorkehrungen. Sieben Teilprozesse mussten sowohl unabhängig voneinander, als auch miteinander funktionieren. Die Zentrifuge musste sanft anlaufen, kontrolliert abbremsen und Bremsenergie ohne Störungen ins Netz zurückspeisen.»
Bei Iscador funktioniert der PowerFlex755TR-Frequenzumrichter – im konkreten Fall ein 200-kW-Gerät in Schutzart IP21 – als zentrales Antriebselement bei der Herstellung des Mistelpräparats. Die Motorsteuerung muss mit dem Ölschmierungssystem der Motorlager, der Kühlung sowie der Druckluft-, Vakuum- und Heliumversorgung der Anlage harmonieren. Der Umrichter muss seine Drehzahl danach ausrichten, wieviel Helium für die Flutung des Scheibenraums zur Verfügung steht. «Bei Iscador hatten wir sechs Minuten, um auf 10 000 min–1 zu beschleunigen. Dann musste die Titanscheibe drei Stunden lang mit konstanter Hochgeschwindigkeit rotieren, wobei die Wärme- und Vibrationsentwicklung in eng abgesteckten Grenzen zu halten waren»,beschreibt Martin Neuenschwander, Commercial Engineer bei Rockwell Automation.
Ergebnis gemeinsam mit dem Kunden erarbeiten
Einfach «nur» anliefern, aufstellen und einschalten ging definitiv nicht. Stattdessen tasteten sich die die Ingenieure von Invag und Rockwell Automation gemeinsam mit dem Kunden schrittweise und mit viel Fingerspitzengefühl an die optimalen Parametereinstellungen heran. Der Knackpunkt war, die Eigenheiten des Motors und dessen Zusammenspiel mit dem Frequenzumrichter zu verstehen. Und dies innerhalb eines relativ kurzen Zeitfensters, weil die nächste Produktionsphase unmittelbar bevorstand.
«Mit Invag und Rockwell Automation fanden wir zwei Lösungspartner, die sich selbst in schwierigen Situationen durch Optimismus und Durchhaltevermögen auszeichneten. Wir haben als Team mit vereinten Kräften dafür gesorgt, dass es kontinuierlich vorwärts ging», beschreibt Albisser eine Zusammenarbeit, die für Iscador einen spürbaren Nutzen brachte.
Der PowerFlex 755TR reduziert die Oberwellen und minimiert damit die Spannungsverzerrung des Versorgungsnetzes. Das (An-) Laufen der Hochgeschwindigkeitszentrifuge stört den Laborbetrieb nicht mehr, weil nun auch während der Produktionsphase alle anderen Geräte eingeschaltet bleiben können. Gleichzeitig sinkt der Energieverbrauch.
22 % weniger Energieverbrauch im Spitzenbetrieb
«Die Leistungsaufnahme im Spitzenbetrieb liess sich um 22 % reduzieren. Wir produzieren nun noch effizienter, und das ohne Rückwirkungen auf das restliche Gebäude», freut sich Schaller über das Modernisierungsprojekt in seiner Abteilung. «Invag und Rockwell Automation sind wirklich auf uns eingegangen. Sie wollten nicht nur die technischen Abläufe verstehen, sondern zeigten auch Interesse am Heilungsansatz bei Krebserkrankungen der anthroposophischen Medizin», ergänzt der Leiter der Iscador-Herstellung.
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