Während Sie eine Messstation für den nächsten Auftrag einrichten, reinigt ein Handlingroboter Tastatur, Display und Arbeitsplatz. Nun geht Ihr Schuhbändel auf und Sie bücken sich. Obwohl der Roboter seine Bewegung sofort stoppt, drückt er Ihnen den nassen Schwamm ins Gesicht.
Dumm gelaufen, aber harmlos. Doch was, wenn der Roboter mit Desinfektionsmittel statt mit Putzmittel hantiert und das Ihnen ins Gesicht spritzt? Oder wenn er scharfe Bleche bewegt? Welches Mass an Sicherheit ist nötig, damit einerseits Ihr Leben und Ihre Gesundheit garantiert sind, andererseits der Roboter effizient arbeiten kann?
Kollaboration ist theoretisch ein Segen, in der Umsetzung eine harte Nuss
Seit Jahren verheissen kollaborierende Roboter effizientes und wirtschaftliches Arbeiten. Auch in Sachen Ergonomie sind die motorisierten Kollegen ein Gewinn, etwa wenn sie schwere Werkstücke bereitstellen, damit Arbeiter ihre Kräfte auf die anspruchsvolle Bearbeitung konzentrieren können. Christian Gugenberger von Stäubli sagt dazu: «Die Flexibilisierung der Produktionsprozesse und der Kostendruck machen Automatisierungstechnik und Robotik noch wichtiger. Man erwartet nicht nur Höchstleistungen von den Produkten, sondern auch eine immer engere Zusammenarbeit von Robotern und Menschen. Dafür entwickelte Stäubli Robotics eine Generation von Robotern, welche keine Kompromisse in Bezug auf die Geschwindigkeit oder die Präzision des Roboters erlaubt, aber alle Stufen der Mensch-Maschine-Kollaboration abdeckt.»
Damit diese Kollaboration funktioniert, braucht es eine Risikoanalyse, wo man klärt:
- Welche Arbeiten führen Mensch und Maschine gemeinsam aus?
- Wie kann man den Arbeiter am besten schützen?
- Welche Bereiche lassen sich einzäunen, damit der Rotober teilweise mit voller Leistung agieren kann?
- Welche Werkstücke und Werkzeuge gefährden den Arbeiter zusätzlich?
- Welches Fehlverhalten des Arbeiters – wie Schuhe binden – gefährdet die Sicherheit zusätzlich?
An der Sindex fragte ich Werner Erismann, Präsident der Sektion 42 (Robotics & Systeme) von swissT.net, wie ausgereift kollaborative Systeme sind. Erismann: «Als einzelne Geräte betrachtet überzeugen die kollaborierenden Roboter schon eine Weile. Sobald es jedoch darum geht, konkrete Anwendungen zu planen und umzusetzen, gibt es Hindernisse. Theoretisch kann ein Industrieroboter problemlos mit scharfen Messern hantieren. Aber wie sieht das in der Praxis aus, wenn innerhalb des Roboterradius ein Mensch arbeitet? Maximale Sicherheit ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe – das ist oft Thema innerhalb der Sektion.» Auch Stephan Fäh, Geschäftsleiter von SwissDrives, betont die Wichtigkeit einer sorgfältigen Planung: «Das Interesse ist sehr gross und das Vertrauen in die Technologie steigt, wenn man Kunden umfassend beraten und Lösungen aufzeigen kann.»
«Das Interesse ist hoch und die Akzeptanz steigt kontinuierlich», sagt Roger A. Bachmann, Geschäftsführer von Bachmann Engineering, und ergänzt: «Vor einigen Jahren mussten wir den Einsatz von kollaborativen Robotern noch erklären. Heute kommen Kunden mit dem konkreten Bedürfnis, kollaborative Roboter einzusetzen, zu uns. Das Thema ist bei vielen Schweizer Unternehmen hoch oben auf der Agenda.»
Pierre Rottet, Verkaufsleiter bei Fanuc, verweist speziell auf die Peripherie des Roboterarms beziehungsweise auf die daraus resultierenden Gefahren: «Auch Werkzeuge müssen hohe Ansprüche erfüllen. Das heisst, dass die Hersteller von Roboterzubehör den kollaborativen Gedanken mit umsetzen müssen.» Beispielsweise befinde sich Schunk diesbezüglich auf gutem Weg, ergänzt Rottet.
Der Roboter hilft dem Arbeiter – oder umgekehrt? Unterschiedliche Ansätze
Die meisten Roboterhersteller bieten kollaborative Modelle an. Patrick Schmid, Sales Manager von F&P Robotics, erklärt einen möglichen Ansatz: «Die Oberfläche unseres Roboters ist mit weichem Leder überzogen. Anwender empfinden den Kontakt sehr freundlich. Dadurch benötigt das Gerät, auch wenn Menschen in seinen Aktionsradius treten, zum Weiterarbeiten mit Lasten bis 3 kg keine komplexe Sensorik. Eine sensitive Oberfläche zur berührungslosen Erkennung von Menschen wird künftig aber jede Kollision verhindern.»
Dass der Roboter auf den Arbeiter Rücksicht nimmt, darum geht es Fanuc. «Unser CR-35iA bewegt bis zu 35 kg mit einer Geschwindigkeit bis 250 mm/s», erklärt Rottet. Eine Kollision ergäbe keine ernsten Verletzungen. Wenn die Kosten für kollaborative Roboter weiter sinken, entfällt der Entscheid, ob man einen konventionellen oder einen kollaborativen Rotober kauft. Die Modelle eignen sich dann für beides gleichermassen.
Während Kuka mit dem LBR iiwa zwei Varianten für 7 und 14 kg bietet, arbeitet der bei SwissDrives erhältliche HC10 von Yaskawa mit bis 10 kg schweren Teilen. Gugenberger von Staubli hebt die Einführung ihrer TX2-Sechsachsen Roboterreihe und der CS9 Steuerung heraus: «Ausgerüstet mit ‹100 % Safe digitalen Encodern› garantieren diese Roboter das höchste Sicherheitsniveau SIL3/ Ple.»
Und wie steht es um die Angst, dass immer mehr Mitarbeiter durch Roboter ersetzt werden? «Neben dem Interesse ist auch die Akzeptanz da, weil kollaborative Roboter die Arbeitsplätze nicht wegrationalisieren, sondern komfortabler für den Menschen gestalten», ist Francesco Bocale, CEO von Kuka, überzeugt.
Von A wie Automatisierung über M wie Maschinenbau bis Z wie Zulieferer
An der Sindex interessierten sich Fachleute aus vielen Branchen für die cleveren Helfer: Werkzeug- und Fertigungstechnik, Anlagenbau, Nahrungsmittel- und Pharmaindustrie, Kunststoffindustrie, Verpackung, Förder- und Lagertechnik aber auch aus Aero Space und allgemeinen Prozessoptimierungsprojekten.
Die Systemintegratoren von Bachmann Engineering erschaffen Lösungen mit allen gängigen Modellen von ABB, Kuka, Fanuc und Universal Robots. Bachmann betont: «Für eine erfolgreiche Umsetzung von Automationsprojekten ist die Wahl des Produkts zentral. Deshalb setzen wir sowohl bei den kollaborativen Robotern als auch bei den Standardrobotern auf verschiedene Produkte und Hersteller. So erhalten unsere Kunden die Sicherheit, das für ihre Anwendung optimale Produkt zu erhalten.»
Einmal mehr zeigt sich, dass auch die beste Technik erst dann überzeugt, wenn man sie clever einsetzt. Dies bestimmt gleichermassen den Grad an Effizienz, Wirtschaftlichkeit und – am allerwichtigsten – Sicherheit.