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Autonome Einheiten verdrängen die starren Strukturen

Die Umsetzung von Integrated Industry erlaubt einen Paradigmenwechsel in der Produktentstehungs- und Wertschöpfungskette. Starre Produktionsstrukturen werden in den Fabriken aufgelöst und zu aktiven, autonomen und sich selbstorganisierenden Produktionseinheiten entwickelt.

 

Für diesen Paradigmenwechsel, von starren hin zu autonomen Strukturen, werden beispielsweise mobile Montage- und Logistik- assistenten erforderlich. Im Gegensatz zur traditionellen Stetigfördertechnik transportieren nun eine Vielzahl kleiner, baugleicher sowie günstiger, autonomer, mobiler Assistenten die Kleinladungsträger.

Mehrere Automatisierungsstrategien durchlebt

Im deutschen Graben-Neudorf produziert SEW-Eurodrive etwa 2500 Getriebemotoren und weitere rund 500 Elektromotoren diverser Bauart pro Tag. Seit den siebziger Jahren hat das Werk bis heute diverse Automatisierungsstrategien durchlebt: Nachdem mit der starren Linienfertigung begonnen wurde, fiel Anfang der achtziger Jahre die Entscheidung, eine Fabrik nach dem CIM-Konzept (Computer Integrated Manufacturing) aufzubauen.

Die erforderlichen Datensysteme, Sensorik und Datenübertragungstechnik waren zum damaligen Zeitpunkt aber gar nicht vorhanden oder zu vernünftigen Preisen nicht leistungsfähig genug. Zudem gab es noch keine integrierten Datenbanksysteme, keine Standards für die integrierte Fabrikvernetzung und keine Integration von geometrischen Produktdaten mit der Stücklistenverwaltung für die Materialwirtschaft. Kurzum: Man schuf eine überzüchtete, teure Produktion, die nur noch schwer beherrschbar war und bei der der Mensch teils in Vergessenheit geriet.

Anfangs der neunziger Jahre kam die schlanke Produktion

Als Konsequenz des ausbleibenden Erfolges von CIM wurden die teilautomatisierte, IT-technisch durchgesteuerte Montage und die Auftragsdurchläufe nach zwei Jahren zunächst wieder auf das Produktionskonzept der starren Linienfertigung mit einer hoher Arbeitsteilung zurückgebaut. Doch dabei blieb es nicht lange: Anfang der Neunziger sollte die Einführung von Lean-Prinzipien – Stichwort schlanke Produktion – sowie deren konsequenter Ausbau zur Fraktalen Fabrik – dezentrale Verantwortung durch Selbstständigkeit, verbunden mit der Schaffung von exzellenten Fertigungsinseln für einzelne Produkte – die Grundlage für eine gleichermassen effiziente wie flexible Produktion schaffen. Dies gelang, indem starre Produktionsstrukturen aufgelöst und zu aktiven, autonomen und sich selbst organisierenden Produktionseinheiten entwickelt wurden. Mit den Lean-Prinzipien wurde bis heute ein Stand erreicht, wo SEW bei der reinen Montagetechnik nicht mehr viel an Effizienzsteigerung herausholen kann.

Industrie 4.0 zielt auf weiter optimierten Materialfluss

Industrie 4.0, als nächster Schritt, bietet ein grosses Potenzial im optimierten Materialfluss. Nachdem man beim Antriebshersteller bereits vor eineinhalb Jahren begonnen hat, einzelne Fertigungsinseln zu «small factory units» – sprich zu Fabriken in der Fabrik – zusammenzufassen, gilt es nun, diese sowohl intern als auch untereinander intelligent zu vernetzen. Das bedeutet unter anderem die Abkehr von starrer Fördertechnik, wie etwa Elektrohängebahnen oder Stetigförderern, hin zum Einsatz mobiler Assistenten. Deshalb arbeitet man bei SEW im Bereich der Innovation seit einiger Zeit an einem Technologiebaukasten, der intelligente, innovative und kostenoptimale Applikationslösungen erlaubt. Vor allem Neuerungen in den Bereichen induktive und optische Spurführung, berührungslose Energieübertragung und -speicherung, Sicherheitstechnik, Funk und Navigation, Sensorik, Antriebstechnik und parametrierbare Steuerungssysteme schaffen neue technische Möglichkeiten in der Transportlogistik bis hin zu robotischen Systemen.

Logistik- und Montageassistenten dienen als fahrende Werkbank

Auf Basis dieser Technologien hat SEW einen Logistikassistenten entwickelt. Dieser sorgt sowohl für die Materialbereitstellung und Abfuhr der montierten Getriebemotoren zu den nachfolgenden Prozessschritten, wie beispielsweise der Lackierung, wie auch für die Unterstützung der Mitarbeiter in den Fertigungszellen selbst. Ein Auftrag wird direkt in die Fertigungszelle weitergleitet, in der der Arbeitsvorrat angezeigt und der Auftrag mit dem mobilen Montageassistenten «verheiratet» wird. Anschliessend wird das Produkt gefertigt und sucht sich selbstständig seinen Weg durch die Fabrik bis hin zum Versand.

Der mobile Montageassistent wird zum Cyber-Physical-System

Im Werk Graben-Neudorf fungieren die mobilen Montageassistenten unter anderem als fahrende Werkbank innerhalb der Zellen. Mit ihnen werden Getriebe montiert, Motoren angebaut, mit Öl befüllt, Antriebe geprüft und zur Lackieranlage transportiert. Die Besonderheit dabei: Der mobile Montageassistent wird zum Cyber-Physical-System. Diese CPS führen alle auftragsrelevanten Informationen mit sich und zeigen diese dem Werker über ein fest installiertes Tablet an. Per WLAN interagiert die fahrende Werkbank zudem mit den Regalen der Zelle und zeigt der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter an, welches Bauteil wo zu montieren ist. Die Mitarbeiter wiederum entwickeln sich in diesem Szenario vom reinen Montierer hin zum Steuernden und Regulierenden von miteinander vernetzten Produktionselementen.

Die Technologie der mobilen Plattform eignet sich auch für andere Firmen

Der Aufbau der mobilen Assistenten selbst ist komplex und wurde von SEW umgesetzt – rund 75 % der verwendeten Komponenten stammen dabei aus dem eigenen Produktbaukasten. Besonders hervorzuheben ist die hybride Energieversorgung des Fahrzeugs, welche auf der von SEW bereits in den neunziger Jahren entwickelten MOVITRANS-Technologie beruht. Diese besteht aus stationären und mobilen Komponenten zur kontaktlosen Energieversorgung beweglicher elektrischer Verbraucher. Die benötigte Energie wird dabei über elektromagnetische Felder von einer Spule oder isolierten, stationären Leitern über einen Luftspalt auf die mobilen Verbraucher (Fahrzeuge) punktuell oder auch entlang einer Strecke übertragen. Die Speicherung der Energie in den mobilen Assistenten erfolgt in Energiespeichermodulen, die aus neuartigen Doppelschichtkondensatoren aufgebaut sind. Das Aufladen einer Batterie entfällt bei diesem Konzept. Die Fahrzeuge sind somit im Drei-Schicht-Betrieb einsetzbar, da eine Ladepause zum Aufladen der Batterie nicht nötig ist. Die mobilen Assistenten hat SEW nicht nur für eigene Zwecke entwickelt. Vielmehr will man das Systemkonzept zukünftig auch anderen interessierten Firmen anbieten.

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